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alternovum Ausgabe 2/2023

Annegret von Wedel-Wolff und Uwe Wolff: Mit Kunst und Literatur durchs Leben

Das Paar lebt im KWA Parkstift St. Ulrich in Bad Krozingen. – Ein Beitrag von Sieglinde Hankele.

Bad Krozingen, 24. Oktober 2023

Wieder einmal haben sich in Süddeutschland zwei Norddeutsche gefunden. Beim Ehepaar Wolff war dies bei einer Ausstellung im Jahr 1974 in Freiburg. Da gab es an den Wänden viele Landschaftsbilder zu sehen und beim Small Talk viele badische Stimmen zu hören. Durch ihren anderen Dialekt fielen sie einander auf und kamen ins Gespräch.

Annegret von Wedel, in einem Vorort von Hamburg geboren, promovierte nach ihrem Lehramtsstudium gerade mit Pädagogik, Germanistik und Volkskunde an der Universität Freiburg. Uwe Wolff, in einem Vorort von Hannover geboren, arbeitete an der Evangelischen Fachhochschule Freiburg als Dozent für Kunstpädagogik sowie als Kurator für Figürliche Skulptur und Plastik unserer Zeit.

Außer dem großen Interesse an zeitgenössischer Kunst entdeckten sie bei dieser ersten Begegnung eine weitere gemeinsame Leidenschaft: Hockey. Er war Trainer einer Frauenmannschaft, konnte sie für sein Team gewinnen. „Sie konnte vor allem gut verteidigen“, sagt er. Ihr gefiel an ihm die Konsequenz, mit der er Ziele verfolgte. 1977 haben sie geheiratet. Den schnellen Sport haben sie später aufgegeben, als die Regeln drastisch geändert wurden. Die Kunst nahm nun noch mehr Raum ein.

Kunst als Triebfeder

Uwe Wolffs Leben war von Kunst und Kunstvermittlung geprägt, er dozierte und gab Kunstunterricht an einer Schule. Zudem leitete er Malkurse, in denen er Grundlagen vermittelte. Nicht zu vergessen: In seiner Freizeit schuf er auch selbst Kunst. So zum Beispiel Gemälde in Mischtechnik – anfangs Landschaften, zuletzt Aktmalerei – und Emaillebilder – in einer aufwendigen Technik, die mehrere Brände erforderte. Zudem fertigte er gerne Karikaturen. „Die Kunst dabei ist, mit wenigen Strichen etwas auf den Punkt zu bringen“, merkt der 82-Jährige an.  

Die Arbeits- und Lebensorte wechselten. In Freiburg hatten sie zunächst eine kleine Galerie, in Feldkirch dann die Galerie in der Remise mit Freigelände. Die gemeinsame Begeisterung für Kunst und Reisen führte das Paar nicht nur in zahllose Ausstellungen und brachte Kontakte zu Künstlern, sondern mündete eines Tages im Erwerb einer ersten Bronzeskulptur. „Das Kriterium für den Kauf eines Werks war für uns immer das handwerkliche Können, das sich am Ergebnis zeigt. Heute werden in der Kunst leider oft Dinge verbalisiert, die nicht mit Inhalt gefüllt werden“, sagt Uwe Wolff.

Als sie die Galerie aufgaben, besaßen sie etwa 25 Skulpturen. Da kam der Gedanke auf, die Sammlung einem Museum zu schenken, zu dem sie passte. So kamen die teils mannshohen Bronzen gemeinsam nach Bremen, ins Gerhard-Marcks-Haus.
 

Von 1991 bis 2009 hatte Annegret von Wedel-Wolff an der Pädagogischen Hochschule in Schwäbisch Gmünd eine Professur für Deutsche Sprache, Literatur und deren Didaktik inne, während er unterrichtete und als Kunstberater aktiv war. Am neuen Lebensort im hohenlohischen Bartenstein hatten die beiden eine neue Idee. Diese zielte darauf ab, Figürliche Skulptur und Plastik mehr ins öffentliche Bewusstsein zu rücken. Die Kulturbeauftragte der Stadt Weikersheim war aufgeschlossen dafür, und so brachte das Paar einen Stein ins Rollen, der noch heute Künstler und Betrachter bewegt: Seit 1993 gibt es dort einmal im Jahr eine „Skulpturen.SCHAU“. 

Literatur als Konstante

Bücher gehörten schon immer zu ihrem Leben. Beide lesen noch heute gerne. „Ein gutes Buch kann man auch zwei- oder dreimal lesen, sagt einem immer wieder etwas Neues“, denkt Uwe Wolff. Nachdem die Stiftsbibliothek auf Wunsch von Mitbewohnern vom Ehepaar Wolff neu und systematisch geordnet worden war, wurde der promovierten Germanistin der verwaiste Literaturkreis des Hauses angetragen. Sie übernahm gerne und überlegte sich ein Konzept, das keinen überfordert und sehr gut angenommen wird: Es geht ausschließlich um Lyrik. Bei jedem Termin sprechen die etwa 20 Teilnehmer über ein Gedicht, zu dem die Germanistin den Hintergrund und die fachliche Einordnung liefert. Dann werden inhaltliche und sprachliche Besonderheiten entdeckt und mit eigenen Erfahrungen verknüpft. Jeder kann seine eigenen Sichtweisen einbringen, ein Gedicht gut finden oder auch nicht. 

Wilhelm Busch und Joachim Ringelnatz waren schon mit Gedichten an der Reihe, aber auch Theodor Storm und Johann Wolfgang von Goethe. Heiteres und Ernstes, denn: „Allzeit fröhlich ist gefährlich, allzeit traurig ist beschwerlich, allzeit glücklich ist betrüglich, eins ums andre ist vergnüglich“, wusste schon der Markgraf von Burgau. Es ist nicht der erste Literaturkreis, den Annegret von Wedel-Wolff leitet. Sie orientiert sich immer an den Teilnehmern. “Früher habe ich umfangreiche Prosawerke ausgewählt", berichtet die 75-Jährige. Damit sie immer auf der Höhe der Zeit ist, hält sie sich durch wissenschaftliche Werke neueren Datums auf dem Laufenden – diese bestellt sie bei der Mediathek der Stadt Bad Krozingen, als Fernleihe. Diesen Komfort schätzt sie sehr. 

Dürre und Flut

Die Beschäftigung mit Kunst und Literatur verlangte zwischendurch auch Muße und Besinnung auf Wesentliches. Die Ruhe dazu fanden die beiden in einem Feriendomizil in Andalusien: in der Sierra, wo es kaum Infrastruktur gab und sie sich vor allem von regionalen Produkten ernährten, sich selbst mit Wasser und Strom versorgten. Von 1993 bis 2002 waren sie immer wieder gerne dort, bis das Leben in der Gebirgsregion immer unwägbarer wurde.

„Zur Jahrtausendwende zeigte sich in der Sierra schon deutlich der Klimawandel“, berichtet Annegret von Wedel-Wolff. Nachdem zwei Quellen vor Ort versiegt waren, musste man Wasser mit Tankwagen holen. Für die Kleinbauern waren die immer längeren Trockenperioden besonders bitter. Diese hatten bis dahin vor allem von Mandeln und Oliven gelebt. Doch die Bäume setzten aufgrund von Wassermangel kaum noch Früchte an. Landflucht setzte ein. Junge Menschen mussten an andere Orte ziehen, um neue Arbeit zu finden. Die karge Region kann sie nicht mehr ernähren. 

Zur Erfahrung mit Dürre kam im Jahr 2021 eine Erfahrung mit Flut. Das Ehepaar wollte seinen Lebensabend eigentlich im Ahrtal verbringen, hatte ein familiengeführtes Seniorenheim gefunden. Wolffs hatten sich eine Wohnung im Altbau ausgesucht – eine Villa mit hohen Räumen. Schmuck und kleine Skulpturen waren bereits eingelagert, Gespräche mit Handwerkern geführt. Doch etwa drei Wochen vor dem geplanten Einzug kam das Wasser – und all die Erinnerungsstücke und kleinen Schätze wurden mitgerissen, sind für immer verloren. Immerhin waren sie nicht vor Ort, mussten nicht um ihr Leben bangen. 

Mit zwei Jahren Abstand tragen sie die materiellen Verluste mit Fassung und betrachten es als Glücksfall, dass die Flut sie quasi nach Bad Krozingen gespült und sie dort ein gutes Domizil im Parkstift gefunden haben. „Die Mitarbeiter sind sehr nett und zugewandt, das Essen ist schmackhaft und abwechslungsreich, das Kulturangebot im Haus und in der Region ist vielseitig, und die Natur haben wir direkt vor dem Fenster“, schwärmt Annegret von Wedel-Wolff. Ihr Mann liebt es, einfach nur auf dem Balkon zu sitzen und Bäume und Vogelstimmen auf sich wirken zu lassen. Die Frau engagiert sich unter anderem im Stiftsbeirat. Und in Chören singt sie auch noch. So bleibt alles im Fluss.
 

>> Karikaturen von Uwe Wolff

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