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alternovum Ausgabe 2/2019

KWA Parkstift Hahnhof: Ein Park schlägt Brücken

Im Spannungsfeld zwischen Moderne und Naturschutz. - Ein Beitrag von Dr. Detlef Peltzer.

Baden Baden, 01. August 2019

„Das ist ja ein Getümmel wie in einem Aquarium!“, sagt eine Frau im eleganten Tweed-Kostüm, als ich an ihr vorbeigehe. Sie steht, auf einen Rollator gestützt, vor einer Rasenfläche, beobachtet verschiedenfarbige Hummeln und einige Bienen, die zwischen den blauen Blüten des Günsels, verschieden rosa Storchenschnäbeln und den letzten blassvioletten Wiesenschaumkräutern ihre Frühjahrstracht einbringen. 

Als der Park des Hahnhofs Mitte der 70-er Jahre angelegt wurde, galt diese Blütenpracht als Unkraut. Die aus der Bauhausbewegung stammende Idee, bei der Anlage eines Gartens innen und außen zu verbinden, führte zu einem Zeitgeist, der Gartengestaltung als Gestaltung eines Raumes verstand. Das Hauptaugenmerk wurde auf immergrüne Gehölze gelegt, von Blau- bis Gelbgrün. Dazwischen blühten exotische Gehölze wie Fingerkraut, Deutzien, Kolkwitzien und Rhododendren. Der Rasen hatte kurz und grün zu sein. 

Die Zeiten ändern sich, so auch die Menschen, ihre Bedürfnisse und Ästhetik. Es ändert sich sogar das Klima. So betrachten wir Parks und Gärten heute mit anderen Augen. Schattenspendende große Bäume, Rasenflächen und Wiesen heizen sich im Sommer weniger auf als bebaute Flächen. Durch die Verdunstung von Wasser kühlen sie die Luft, was man nachts deutlich spürt, wenn die kühlen Luftströme aus den Parks in die überhitzen Straßen fließen. In Zeiten, in denen die Zahl der Insekten drastisch sinkt, sind naturhafte Parks zudem Rückzugsorte für bedrohte Arten und Tiere, die von ihnen leben. 

Der Brückenschlag zwischen dem „Mid-century modern“, der gekonnten, aber künstlichen Ästhetik von vor 40 Jahren und dem Heute ist mir als Gärtner vor Ort wichtig. Es war nicht falsch, was meine Kollegen vor mir gedacht haben. Sie kannten nicht das Maß der Umweltveränderungen von heute. 

Die Sichtachsen in den Schwarzwald, die geschlängelten Wege am Hang, die Blicke in die Parkanlage von Ruhebänken sind hervorragende Punkte, um die Natur zu genießen. Innerhalb dieser Grundstruktur verschwinden jedoch viele der Gehölze, die zum Teil so exotisch sind, dass eine Biene mit ihnen nichts anfangen kann, an deren Blättern keine Raupe frisst und deren Früchte von heimischen Tieren verschmäht werden.

Statt Lorbeerkischen, Forsythien, Bergkiefern und Efeu finden sich deshalb mehr und mehr Weißdorn, echte Mispel, Quitten, Holunder und Haselnuss im Park. Der Rasen wird heute „mit den Augen“ gemäht. Tauchen Margeriten, Schafgarbe oder andere Wiesenblumen vor dem Mäher auf, wird um sie herumgemäht. So entstehen bunte Inseln in einem Rasen, der nirgendwo kürzer als 5 cm sein darf. Blindschleichen tauchen wieder auf und verschwinden silbrig glänzend zwischen den wilden Blumen. 

Es gibt sie noch im Hahnhof, die Ästhetik des Mid-century modern. Und sie harmoniert wunderbar mit Blumenwiesen, formalen Staudenbeeten und Rosen, die als Solitär- und Fixpunkte in der Landschaft stehen oder sich als pink-rosa-weißes Blütenmeer bis an den Rand der Sonnenterrasse ergießen.

Neue Pflanzenzüchtungen bieten Möglichkeiten, ein natürliches Umfeld für einheimische Tiere zu schaffen und sich an die Exotik der 70-er anzulehnen. Ein solch zauberhaftes Geschöpf ist zum Beispiel Black Lace, ein Holunder mit fast schwarzen, tief geschlitzten Blättern und rosa Blüten. Er vermittelt zwischen japanischem Blutahorn und bunter Blumenwiese. Eine Mutation des Faulbaums, Asplenifolia Fine Line, mit einer strengen, aber transparent-flirrenden Säulenform begleitet den Teich im oberen Bereich des Geländes. So exotisch er wirkt, bieten seine Blüten verschiedenen Wespenarten und Solitärbienen Nahrung. Seine Blätter sind nahrhaft für die Raupe des Zitronenfalters. 

Zwei große Trauerbuchen dominieren im hinteren Teil des Gartens. Eine starke Blutbuche musste im vorigen Jahr gefällt werden. Buchen sind an Waldklima angepasst, brauchen hohe Luftfeuchtigkeit und eine lebendige Streuschicht auf ihren Wurzeln. Im Freistand wird es ihr auf Dauer zu heiß, das macht sie anfällig für Pilzkrankheiten und lässt sie schon in der Jugend vergreisen. 

Ähnlich erging es vor einigen Jahren einem Mammutbaum. Als man das Parkstift am Hahnhof baute, waren diese Bäume sehr in Mode. Heute ersetzen ein Amberbaum, eine Stieleiche und eine Konstantinopler Quitte diese Bäume. 

Auch gefällte Bäume können bisweilen der Natur noch dienen: Drei Stammstücke einer Bergkiefer stehen heute als Stelen im Park. Unzählige, von Solitärbienen besetzte Löcher sieht man in ihnen. Am Fuß dieser Stelen wächst Gilbweiderich, der alleine von diesen Bienen besucht wird. 

Die Zeiten ändern sich immer. Als Gärtner ist es mir wichtig, einerseits Wertvolles durch gute Pflege zu erhalten, andererseits Neues zuzufügen, sodass der Park lebendig bleibt und vielfältigen Nutzen stiftet.

Der Rasen wird heute „mit den Augen“ gemäht. Tauchen Margeriten, Schafgarbe oder andere Wiesenblumen vor dem Mäher auf, wird um sie herumgemäht.

Dr. Detlef Peltzer

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