Das Paar, das im KWA Georg-Brauchle-Haus lebt, demonstriert, wie gut Staatsdienst und Ordnungssinn mit Flexibilität und Kreativität harmonieren. – Ein Beitrag von Sieglinde Hankele.
Dieter Naumann ist Spross einer Architektenfamilie. Sein Großvater hat in Frankfurt am Main die Villa von Christas Großeltern geplant und dabei die Freundschaft der beiden Familien begründet. So lernten Christa und Dieter sich schon als Kinder kennen. Geboren war Dieter 1936 in Weimar. Da die Mutter im Krieg Witwe wurde, zogen sie 1945 in die Heimat der Mutter, zur Großmutter nach Frankfurt.
Christa mochte Dieter, „weil er immer sehr witzig war“, sagt sie. Ernsthaftes Interesse aneinander entwickelte sich bei beiden erst im Tanzschulalter. 1957 ging Dieter an die Technische Hochschule Darmstadt, um Architektur zu studieren. Christa interessierte sich zwar mehr für Innenarchitektur. Dem Wunsch des Vaters folgend, entschied sie sich dann aber ebenfalls für Architektur.
Sie sollte zum Studium nach München, weil sie dort bei der bayerischen Großmutter wohnen konnte. Als Dieter Naumann das erfuhr, schrillten bei ihm die Alarmglocken. Damals studierten nur wenige Frauen Architektur, der große Männerüberhang konnte ihre gerade erst keimende Beziehung gefährden. Kurzerhand besorgte er Ringe und überraschte Christa mit der Ankündigung, dass er sie heiraten wolle. „Das war gar kein Antrag, sondern eher die Einweihung in einen Plan“, erinnert sie sich. Doch der Plan gefiel ihr.
Studium & Familie. Beide ahnten, dass den Eltern eine frühe Heirat nicht gefallen würde, deshalb hielten sie die Verlobung geheim. Sie besuchten einander jedoch so oft wie möglich. Und als Christa im zweiten Semester studierte, kündigte sich ihr erster Sohn an. Da war eine rasche Heirat im Sinne aller. Der erste Sohn kam in München zur Welt, als Dieter Naumann in Darmstadt mit dem Vordiplom beschäftigt war. Christas Eltern unterstützten finanziell, sodass der junge Vater zu Frau und Kind ziehen und in München weiterstudieren konnte. Gerade als die junge Mutter wieder an die Uni wollte, kündigte sich der zweite Sohn an. Und als der junge Vater 1962 sein Diplom in der Tasche hatte, war bereits der dritte Sohn unterwegs.
Dass Dieter Naumann sein Diplom so zügig geschafft hat, hat er auch seiner Frau zu verdanken: Ihr hat es Spaß gemacht, sich nicht nur um die kleinen Kinder zu kümmern, sondern für ihren Mann auch mal eine Zeichnung anzufertigen oder ein Modell zu bauen – und sich mit ihm über Architektur auszutauschen. Auf das, was sie sich gemeinsam in München aufgebaut haben, ist Christa Naumann stolz. „Wir sind bewusst nicht zurück nach Frankfurt“, sagt sie. Als in Waldperlach eine neue Siedlung gebaut wurde, erwarben sie dort ein Haus mit Garten. So konnten die Söhne eine unbeschwerte Kindheit im Grünen verleben und das Paar 55 gute Jahre, die sie seit Ende 2021 im Münchner KWA-Wohnstift fortsetzen.
Christa hat ihre Talente im Privaten entfaltet. Sie ist flexibel und kreativ, hat immer gute Ideen.
Dieter Naumann
Staatsdienst & Kreativität. Sein Referendariat beim Staat und die zweite Staatsprüfung hatten Dieter Naumann zunächst eine Anstellung beim Münchner Universitätsbauamt eingebracht, später dann am Innenministerium bei der Obersten Baubehörde. Schließlich profitierte er von einer Weisung des Ministerpräsidenten Alfons Goppel: Nach dem Vorbild der École nationale d'administration sollten ausgewählte Mitarbeiter auf Führungsaufgaben im Staatsdienst vorbereitet werden. Diese besondere Fortbildung ermöglichte Dieter Naumann einen Blick über den Tellerrand, beinhaltete diverse Schulungen sowie Aufenthalte in England, in Schottland und in den USA.
Christa Naumann managte währenddessen die Familie und den Haushalt. Mit Gymnastik, Yoga und Tennis hielt sie sich fit. In einem fortlaufenden Französischkurs an der Volkshochschule Neubiberg lernte sie die Sprache so gut, dass sie gebeten wurde, beim Antrittsbesuch der Kommune in die neue Partnerstadt Ablon-sur-Seine mitzureisen. Fortan besuchte man sich im jährlichen Wechsel. So entwickelten sich schöne Freundschaften mit französischen Familien.
Was Christa ebenfalls viel Spaß machte: töpfern. Dabei zeigte sich ihre künstlerische Ader und ein feines Gespür für die Schönheit schlichter Formen. Sie begann stets mit einer Zeichnung, ehe sie sich an die Arbeit machte. Einen von ihr geformten Elefanten nennt das Paar mit einem Augenzwinkern den Naumann-Elefanten. Die Geschichte dazu: Seit Dieter Naumanns Großvater väterlicherseits als Paläontologe in Japan angebliche Drachenknochen als Mammutknochen identifiziert hat, nennt man Mammuts in Japan „Naumann-Elefanten“.
Ämter & BMW & Siemens. 1984 wurde Dieter Naumann als Amtsvorstand an das Regensburger Universitätsbauamt gerufen. Die Zahnklinik war bereits in Betrieb, der zweite Bauabschnitt – ein Trakt mit OP-Sälen und 500 Klinikbetten – sollte zügig vorankommen, galt als Prestigeprojekt der Staatsregierung. Dieter Naumann verantwortete Termine und Kosten. Nicht zuletzt dank vieler guter Vorschläge seines Teams gelang die Umsetzung im vorgesehenen Zeit- und Kostenrahmen. Zum Richtfest 1986 kam Franz Josef Strauß. Von 1987 bis 1990 leitete Dieter Naumann das Universitätsbauamt München. Seine letzte große berufliche Aufgabe übernahm er als Leitender Ministerialrat schließlich dort, wo er 20 Jahre vorher schon mal gearbeitet hatte: an der Obersten Baubehörde im Sachgebiet Südbayerische Hochschulen – doch diesmal als Leiter des Sachgebiets.
Da die Öffentlichkeit den Eindruck hatte, dass auf Ämtern zu langsam gearbeitet wird, wollte man im Ministerium etwas Neues probieren: Große bayerische Unternehmen sollten in „unkonventionellen Verfahren“ den Bau neuer staatlicher Einrichtungen organisieren, leiten und realisieren. Die BMW AG wurde mit dem Neubau der Fakultät für Maschinenwesen betraut, die Siemens AG mit dem Erweiterungsbau der Fakultät für Elektrotechnik. „Die Staatsbauverwaltung sollte unter meiner Verantwortung mit den beiden Unternehmen quasi in den Wettbewerb treten und für die Ludwig-Maximilians-Universität die Fakultät für Chemie und Pharmazie einschließlich Genzentrum bauen“, erinnert sich Dieter Naumann.
Das Universitätsbauamt und die Bauverwaltung lösten die Aufgabe so gut, dass man sich vom Experiment mit den Privatunternehmen wieder verabschiedete. Diese hatten sich vor allem durch Nachträge und Kostensteigerungen hervorgetan.
Planen war schon immer eine große Stärke von Dieter. Und sein ausgeprägter Ordnungssinn.
Christa Naumann
Hohe Türme & Weite Reisen. Als Architekt und Bauexperte war Dieter Naumann Mitglied in verschiedenen Gremien, unter anderem in der Stadtgestaltungskommission von München, zur Amtszeit von Christian Ude. Schon damals war die Hochhausfrage umstritten. Ude war aufgeschlossen für höhere Bauten. Doch die Bürger votierten in einem Entscheid dagegen, bestätigten die Höhe der Frauenkirche als maximale Gebäudehöhe im Stadtzentrum. Als architektonische Highlights in München benennen Naumanns den Olympiapark von Behnisch & Partner, das von Walther und Bea Betz geplante Hochhaus der Hypo-Vereinsbank und den BMW-Tower von Karl Schwanzer – den „Vierzylinder“. Heute wohnen Naumanns selbst in einem Turm: im KWA Georg-Brauchle-Haus.
Dieter Naumann ist bewusst, dass sein beruflicher Höhenflug nur deshalb möglich war, weil seine Frau sich „down to earth“ um die Kinder, das Haus, den Garten und so manches andere kümmerte. Dafür ist er ihr sehr dankbar. Auch dafür, dass sie nach seiner Pensionierung selbst exotische Studienreisen ohne jeglichen Komfort mitgemacht hat. Doch im Grunde genommen interessieren sie sich ohnehin für das Gleiche: nämlich für Architektur, Kunst und Kultur, egal ob in Usbekistan oder Bhutan oder Kambodscha. Sie sagt: „Mein Mann und ich waren immer auf einer Linie.“ 2023 wollen sie ihre erste KWA-Reise unternehmen.