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alternovum Ausgabe 2/2021

Das Dritte Alter - ein empirisches Porträt

Ein Beitrag von Prof. Dr. Roland Schmidt

Unterhaching, 09. August 2021

Unter dem Titel "Altes Eisen oder mitten im Leben" veröffentlichte die Konrad-Adenauer-Stiftung im Jahr 2020 eine Studie zu Lebenslagen, Lebensereignissen und Lebensplänen älterer Menschen in Deutschland. Ziel dieser Expertise ist es, auf der Grundlage aktueller Daten aus der empirischen Sozialforschung (u. a. Deutscher Alterssurvey und Sozio-ökonomisches Panel) Aussagen zu "möglichen Diskrepanzen zwischen Wünschen und Lebenswirklichkeit älterer Menschen" zu treffen. Gemeint sind hier die 60- bis 80-Jährigen, also Menschen im "Dritten Lebensalter". Dabei sollen aus der Interpretation der empirischen Ergebnisse Konsequenzen für die politische Praxis gezogen sowie Handlungsempfehlungen für die Politik abgeleitet werden. Im Nachfolgenden werden ausgewählte Aspekte der Studie referiert.

Die finanzielle Lage ist ein wesentliches Kriterium zur Beurteilung der Lebenschancen; sie wirkt ein auf die gesellschaftliche Teilhabe und die Verwirklichung von Konsumwünschen. Befunde zur Einkommenssituation zeigen, dass im Zeitverlauf die Einkommenssituation im "Dritten Alter" im Schnitt besser geworden ist. Allerdings zum Preis einer gewachsenen Ungleichheit, wenn Armuts- und Reichtumsquoten in die Betrachtung einbezogen werden. Unterschiede werden insbesondere markiert durch Geschlecht und formale Bildung. 

Die Armutsgefährdungsquote (definiert mit weniger als 60 Prozent des durchschnittlichen Netto-Äquivalenzeinkommens 1) beträgt 2014 in der genannten Altersgruppe 15,4 Prozent (Bevölkerung insgesamt 16,7 Prozent). Seit 1996 bedeutet das einen Anstieg der Armutsgefährdungsquote um knapp 5 Prozent. Dies wirkt sich allerdings nicht negativ auf Befunde zur subjektiven Wahrnehmung der eigenen finanziellen Situation aus; sie steigt bei den Jüngeren und Älteren dieser Kohorte. Die Reichtumsquote (definiert mit mehr als 200 Prozent des durchschnittlichen Netto-Äquivalenzeinkommens) lag 2014 für Menschen im Dritten Lebensalter bei 9,5 Prozent – Männer mehr, Frauen weniger. 

Die Erwerbsbeteiligung der 60- bis 74-Jährigen ist nach Daten von Eurostat europaweit gestiegen. Deutschland rangiert inzwischen bei allen Altersgruppen und bei beiden Geschlechtern über dem EU-Durchschnitt. Dies gilt jedoch nicht für informelle Tätigkeiten (u. a. ehrenamtliches Engagement, Enkelbetreuung und informelle Hilfen). Hier ist Deutschland eher im hinteren Mittelfeld bzw. unterem Drittel zu verorten.

Die Wanderungshäufigkeit in der Gruppe der 60- bis 80-Jährigen ist – im Vergleich zu anderen Alterstufen – gering. Der Verlust beruflicher Mobilitätsanforderungen und die gute Gesundheit im "dritten Alter" bewirken eine relative "räumliche Immobilität", wie die Autoren der Studie formulieren. Hingegen ist die Mobilität hochaltriger Personen höher, aus dem im "vierten Alter" steigenden Unterstützungsbedarf resultiert.


1 Das Netto-Äquivalenzeinkommen ist ein bedarfsgewichtetes Pro-Kopf-Einkommen. Es spiegelt somit das Einkommen wider, das jedem Mitglied eines Haushalts den gleichen  Lebensstandard unter der (fiktiven) Bedingung ermöglichen würde, dass es alleine lebt.

Das "Dritte Alter" präsentiert sich zusammenfassend sowohl individuell als auch sozialstrukturell als vielfältiger Lebensabschnitt. Lebenslagen des "Dritten Alters" sind das Resultat unterschiedlicher Biographien sowie der darin eingebetteten Erwerbskarrieren und familialen Übergänge. Vor diesem Hintergrund setzt, so die Verfasser, eine wirkungsvolle Politik für das höhere Lebensalter idealerweise an früheren Lebensabschnitten an und wirkt über den Lebensverlauf hinweg begleitend. Dies umfasst mehrere Politikbereiche, u. a. Bildung, Arbeitsmarkt, Familie, Renten, im Sinne einer "ganzheitlichen Lebenslaufpolitik".

Vorstellungen von einem "guten" Ruhestand sind deutlich geprägt von dem Wunsch, die Zeit gemeinsam mit der Familie bzw. dem Partner zu verbringen. Präferenzen für weitere berufliche oder ehrenamtliche Tätigkeit sind schwächer ausgeprägt.

Prof. Dr. Roland Schmidt

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