Gabriele Hardege engagiert sich in der Flüchtlingshilfe. – Ein Beitrag von Jörg Peter Urbach.
Das Jahr 2015 markierte einen Wendepunkt im Leben von Gabriele „Bela“ Hardege. Nach dem Verlust ihres Mannes suchte sie für den neuen Lebensabschnitt eine sinnvolle Aufgabe. Die sie in der Flüchtlingsarbeit fand. Angela Merkels historischen Satz „Wir schaffen das“ münzte sie kurzerhand auf ihre eigene Lebenssituation um: „Ich schaffe das, und wo ich gebraucht werde, da helfe ich.“
Gabriele Hardege, die als junge Mutter bei den Pfadfindern erste Erfahrungen in der Arbeit mit Menschen gesammelt hatte, wandte sich im Herbst 2015 an die evangelische Kirchengemeinde der nordrhein-westfälischen Kleinstadt Wegberg – mit dem Wunsch, sich für Flüchtlinge zu engagieren. Gemeinsam mit anderen Ehrenamtlichen organisierte sie ein Sprachcafé für Neuankömmlinge aus Syrien, Afghanistan, Ghana und dem Irak. „Anfangs standen wir uns fremd, beinahe schüchtern gegenüber. Dann bin ich auf jeden zugegangen und habe mit den Worten ‚Ich heiße Bela und wie heißt du?‘ das Eis gebrochen.“
Im Lauf der Zeit weitete sich Gabriele Hardeges Aufgabenfeld und sie begleitete die jungen Menschen beispielsweise bei wichtigen Behördengängen, oft als moralische Unterstützung. Nicht immer stieß sie auf offene Ohren und Herzen: Ablehnung erfuhren nicht nur die Geflüchteten, sondern auch die Helfer. Gabriele Hardege wurde als „Gutmensch“ etikettiert, ließ dennoch nicht nach in ihrem Engagement. „Wir haben die Nachbarn zu Festen eingeladen und so die Menschen einander nähergebracht. Wenn man ein paar Worte miteinander reden kann, ändert sich die Einstellung zum ‚Fremden‘.“ Diese Erfahrungen hatte Gabriele Hardege selbst auf ihren weltweiten Reisen gemacht. „Man braucht Offenheit anderen Kulturen gegenüber.“ Besonders beeindruckt war sie vom tiefen Respekt, den ihr die jungen Männer aus arabischen Ländern entgegenbrachten.
Aus dem improvisierten Sprachcafé wurde ein Raum der Begegnungen, in dem man nun auch gemeinsam kochte und feierte. „Wir waren nicht mehr nur Sprachlehrer, sondern auch Kummerkasten, fungierten als Ersatz für die so sehr vermisste Familie“, erinnert sich Gabriele Hardege. Es folgte ein systematischer Sprachunterricht, den sie mit Unterrichtshilfen aus dem Internet, vor allem aber mit kreativen Elementen gestaltete. Sie sah es als ihre Hauptaufgabe an, neben dem Sprachunterricht „Mut zu machen und ‚meine‘ Schützlinge auf dem Weg in ein selbstbestimmtes Leben zu begleiten.“ Mit Erfolg: Die meisten Flüchtlinge aus dieser Zeit in Wegberg haben heute einen Job oder eine Ausbildung gefunden.
Im September 2019 zog Gabriele Hardege im KWA Stift im Hohenzollernpark ein. Kaum dass sie in Berlin angekommen war, setzte sie ihr Engagement in einem DRK-Projekt fort. Heute unterstützt die 69-Jährige – auch in Corona-Zeiten – zwei geflüchtete türkische Frauen beim Erlernen der deutschen Sprache. „Das ist so wichtig, denn über die Sprache eines Landes kann man sich schnell zu Hause fühlen.“ Viele Mitbewohner im Stift bewundern sie für ihr Engagement.
Was ist am wichtigsten, wenn man Menschen helfen möchte? „Man muss empathisch und neugierig sein, zuhören und Signale wahrnehmen können, einander auf Augenhöhe begegnen. Ich habe mich nicht aus altruistischen Gründen engagiert – diese Menschen haben mir über die Jahre so viel zurückgegeben, so viel Wärme, Ehrlichkeit und Höflichkeit. Und sie haben bei mir für einen Perspektivwechsel gesorgt: Ich sehe die Welt heute mit anderen Augen. Wir müssen endlich verstehen, dass wir nichts Besseres sind, sondern einfach nur das Glück haben, in einem wohlhabenden Land und in Frieden zu leben. Dafür können wir dankbar sein.“
Man braucht Offenheit anderen Kulturen gegenüber
Gabriele Hardege