Ihr Berufsleben war von der Lufthansa geprägt und mit so einigen Herausforderungen verbunden. – Ein Beitrag von Sieglinde Hankele. Header-Foto und Schmuckdetails: Mandy Klötzer.
In einer Zeit, in der Bremen von regem Außenhandel und großen Werften lebte, wuchsen Helga und Günther Rübel eben dort auf. Das Wabern und Wuseln am Hafen und in den Straßen der prosperierenden Hansestadt, die Düfte von Kaffee und Gewürzen aus fernen Ländern weckten in beiden Fernweh.
Nach einer Ausbildung zur Reisekauffrau und erster Berufserfahrung wechselte Helga von einem Bremer Reisebüro zum Bremer Verkaufsbüro der Lufthansa. Das war 1964, sie war 22. Günther Rübel war mit seiner ersten kaufmännischen Ausbildung in Bremen weder glücklich noch zufrieden. Er wollte mehr. Deshalb ließ er sich bei der Lufthansa zum Luftverkehrskaufmann ausbilden und träumte davon, eines Tages selbst irgendwo den Flugbetrieb zu organisieren. An den Standorten Hamburg, Köln, Frankfurt, Bremen und London lernte er schon in der Ausbildung viel über das Unternehmen und mögliche spätere Aufgaben.
In Bremen nahm das Schicksal seinen Lauf. Hier lernte er 1970 Helga kennen. Auffallend oft holte sich der zwei Jahre jüngere Günther bei der attraktiven Schichtleiterin am Lufthansa-Verkaufsschalter Rat. Sie fanden einander mehr als sympathisch und erkannten schnell, wie gut sie zusammenpassen. Gleich nachdem er die Ausbildung abgeschlossen hatte, heirateten sie.
Daressalam, 1981 bis 1984. Nach einer sozialistischen Phase lag Tansania wirtschaftlich am Boden. Auf den Märkten und in den Läden gab es wenig mehr als Obst, Gemüse und Fisch. Nicht alle hatten Wasser, Strom und Telefon. Rübels hatten es vergleichsweise gut, konnten einen ordentlichen Hausstand führen. An das tropische Klima gewöhnten sie sich rasch. Günther Rübel war der Lufthansa-Vertreter für Tansania, leitete in der Küstenstadt das Lufthansa-Verkaufsbüro des Landes und organisierte pro Woche vier Flüge: zwei nach Deutschland, zwei nach Mauritius.
Einmal im Monat flog Helga Rübel mit einem leeren Koffer zur Insel im Indischen Ozean mit. „Dort gab es wirklich alles, was wir brauchten oder vermissten.“ Sie erwarb meist Hygieneartikel und Utensilien für den Haushalt, oft auch Käse und südafrikanischen Wein, manchmal auch Weißwürste. So konnte sie zu Hause Geschäftspartner ihres Mannes, Botschaftsvertreter und Freunde bewirten.
Trotz großen Potenzials gab es aufgrund des allgemeinen Mangels im Land keinen Tourismus. Immerhin konnte das Paar regelmäßig nach Sansibar reisen und dort in die arabische Kultur eintauchen, die Architektur bestaunen und auf Märkten auch Pretiosen sehen. Für Geschichte und Architektur interessierte sich Günther Rübel schon immer. Geschichten aus alten Zeiten erzählte ihnen jedes Jahr im Dezember „Mama Askari“, die ehemalige deutsche Honorarkonsulin Margarethe Scheel, wenn sie zu ihr nach Tanga flogen und einen kleinen Weihnachtsstollen mitbrachten.
Die Jahre in Tansania ordnen beide als eine Zeit der Entschleunigung ein. Die Schönheit der Natur hat in ihren Erinnerungen einen besonderen Platz.
Teheran, 1984 bis 1986. Am Persischen Golf herrschte Krieg zwischen Iran und Irak, Ayatollah Khomeini war religiöser Führer und iranisches Staatsoberhaupt. Frauen mussten in der Öffentlichkeit einen Schador oder wenigstens einen langen Mantel tragen, das Haar zumindest mit einem Tuch bedecken. Nagellack und Lippenstift: verboten. Eine Revolutionswächterin stellte Helga Rübel mitten auf der Straße, wischte ihr unversehens den Lippenstift ab – mit einem Tuch, in das sie vorher gespuckt hatte. Revolutionswächter klopften auch an Türen.
Obwohl wegen des Kriegs nur bei Tageslicht geflogen werden durfte, wollte die Lufthansa den Flugbetrieb aufrechterhalten. Viele Iraner waren reisefreudig, hatten Verwandte in Europa und den USA. So schickte Günther Rübel täglich eine große Maschine in Richtung Westen: bis auch in Teheran Bomben fielen und die Lufthansa den Flugbetrieb komplett einstellte. In Abstimmung mit seinem Arbeitgeber und dem Deutschen Kanzleramt ließ Günther Rübel last minute noch Deutsche in die Heimat ausfliegen.
Teheran war für die Lufthansa immer wichtig, man hoffte, den Flugbetrieb bald wieder aufnehmen zu können. So blieben Günther und Helga Rübel noch ein Jahr, in dem allerdings kein einziger „Kranich“ starten oder landen konnte. An Teheran hat das Paar nicht so gute Erinnerungen.
Daressalam war für uns eine Zeit der Entschleunigung. An Teheran haben wir nicht so gute Erinnerungen.
Günther Rübel
Istanbul, 1986 bis 1988. Was für ein Gewinn an Freiheiten und Möglichkeiten nach all den schwierigen Jahren. Religion spielte im öffentlichen Leben keine Rolle. Seit dem Militärputsch von 1983 wurde die Trennung von Staat und Kirche im Sinne von Staatsgründer Atatürk strikt umgesetzt. Die Stadt war aufregend, pulsierte.
Am Bosporus lebten Menschen aus aller Herren Länder, Einheimische und Fremde mischten sich. Kultur und Geschichte waren zum Greifen, die unglaubliche Vielfalt an Restaurants und Unterhaltungsangeboten hatten Rübels so vorher noch nie vor der Tür. Sie genossen die Zeit, fuhren an den Wochenenden alles an, was sie unbedingt sehen wollten.
Zu Günther Rübels Lufthansa-Team gehörten gerade einmal fünf Deutsche, die anderen fünfzig hatten türkische Pässe, sprachen aber gut Deutsch, weil sie die Deutsche oder die Österreichische Schule in Istanbul besucht hatten. Auch mit der deutschen Mentalität waren sie vertraut, wussten, worauf wir Wert legen. Gerne wäre das Paar noch länger geblieben, doch die Lufthansa rief sie nach Deutschland zurück, zunächst nach Stuttgart.
Berlin, 1991 bis heute. Nach drei Jahren in Stuttgart mit einem 400 Köpfe umfassenden Team trug man Günther Rübel die Verantwortung für den Flugbetrieb an den Berliner Flughäfen an. 1991 waren das noch: Tegel, Tempelhof und Schönefeld. Seit dem Mauerfall war erst wenig harmonisiert worden, vieles passte nicht zusammen. Günther Rübel sollte den Flugbetrieb sicherstellen und dafür sorgen, dass alles zusammenwächst. Zu seinem Team gehörten auch ehemalige Mitarbeiter von Pan-Am und der einstigen DDR-Airline Interflug. Die Aufgabe war herausfordernd, doch bis zu seinem Eintritt in den Ruhestand im Jahr 2001 konnte er doch so Einiges bewegen.
Privat gefiel dem Paar Berlin ab der ersten Stunde. Günther Rübel berichtet: „Zunächst herrschte in der Stadt eine Art Goldgräberstimmung vor. Als sich aber viele Hoffnungen nicht erfüllten, führte dies zu einer depressiven Phase – bis Wowereit als Regierender Bürgermeister befand, dass Berlin zwar arm, aber sexy sei.“ Berlin wurde wirklich eine Metropole. Helga Rübel schwärmt: „Von Berlin gehen wir nie wieder weg.“ Jahrelang ging sie mehrmals die Woche golfen, baute einen großen Freundeskreis auf. Im KWA Stift im Hohenzollernpark wohnt das Paar seit vier Jahren. Die Möglichkeit, im Stift so zu leben, wie sie wollen, schätzen beide sehr. Noch heute besuchen sie gerne Ausstellungen und Konzerte in der Stadt.
Istanbul war wunderbar. Berlin ist es noch heute. Von hier wollen wir nie wieder weg.
Helga Rübel
Helga Rübel zeigt ein Flugzeugmodell, dem der Name der südafrikanischen Fluggesellschaft aufgedruckt ist. Ein Abschiedsgeschenk. In ihren Deutschlandjahren hat sie bei dieser Gesellschaft gearbeitet, von 1972 bis 1981 und von 1988 bis 1991. So konnte sie immer wieder nach Südafrika fliegen und das Land kennenlernen. Daran erinnert sie sich gerne. Und an die vielen schönen Reisen zu zweit im Ruhestand, mit den Flügeln des Kranichs zu fernen Orten.
Ein Flugzeugmodell mit einem Kranich sucht man in der Wohnung vergeblich. Immerhin Bücher über die Lufthansa stehen im Regal, daneben dicke Bände über Architektur und Schifffahrt. Letzteres eine Reminiszenz an die Stadt der Kindheit.