Eine Kolumne der Schriftstellerin Gunna Wendt zum Titelthema Humor.
Liesl Karlstadt, die größte bayerische Komikerin, hat berichtet, dass sie diesen Beruf erst über einen Umweg für sich entdeckt hat. Kurz nach dem ersten Weltkrieg gehörte sie zum Ensemble des Frankfurter Hofes, einem der bekanntesten Münchner Volkssängerlokale. Ihr Solofach war die "jugendliche Soubrette".
Als "fesche Mizzi" sang sie die Männer in der ersten Reihe direkt an und erntete großen Applaus. Nur nicht vom damaligen Star der Münchner Humoristenszene, Karl Valentin. Sie sei für eine Soubrette viel zu mager, kritisierte er, als er sie in der Künstlergarderobe aufsuchte. Ihr Busen sei zu klein, ihr Auftreten viel zu brav. Daraufhin habe sich ihre Verehrung für ihn in blanken Hass verwandelt, gab Liesl Karlstadt rückblickend zu.
Doch dann habe er ihr attestiert, sie besäße ein großes komisches Talent. Er riet ihr, sich ganz aufs Komische zu verlegen und unterstützte sie dabei, indem er ihr eine Parodie auf eine Soubrette widmete, die er selbst verfasst hatte. "Ich sang auf Komisch", berichtete Liesl Karlstadt, "und hatte den ersten großen Erfolg. Nun war unsere Freundschaft besiegelt und aus der erwuchs eine jahrzehntelange Partnerschaft."
Liesl Karlstadt hat ihre Bühnenkarriere mit Wort und Bild in ihren Bühnenalben dokumentiert: "Frl. Liesl Karlstadt" trat darin als "Tschthinzscht, chinesischer Salonkomiker" auf. Daneben ist sie in weiteren kuriosen, überwiegend männlichen Verkleidungen zu sehen: als Schusterbua, böhmischer Ladislaus, Trompetenvirtuose, Pikollo, Trommler, Musiker-Lehrling, Jockey, Bürgerwehrbua.
Schon zu Beginn ihrer Laufbahn hatte Liesl Karlstadt ihrem Bühnenalbum anvertraut: „Als Schusterbua fühlte ich mich bedeutend wohler, wie als `Soubrette´". Doch damit nicht genug: „Wenn ich einen Frauenrock angehabt hab, hab ich mich nix sagen traun, aber in der Hosn hab ich immer a freche Goschn ghabt." Das sollte so bleiben, und so wurden zwei Männerfiguren unterschiedlichen Alters zu ihren berühmtesten Rollen am Theater und im Film: der jugendliche Firmling und der alte Kapellmeister.
Liesl Karlstadt war nicht nur die kongeniale Bühnenpartnerin Karl Valentins, sondern auch die Mitverfasserin der bekanntesten Stücke des Münchner Komikerpaars. Fast alle Szenen hatten ihren Ursprung im Alltag und wurden von Liesl Karlstadt angeregt, die mit offenen Augen und Ohren durch die Welt ging.
Wenn sie Valentin ihre alltäglichen Beobachtungen schilderte, parodierte sie dabei die unterschiedlichen Typen, denen sie begegnet war, und verführte ihren Partner zur gemeinsamen Improvisation. Dabei wuchs ihre eigene Lust an der Nachahmung vor allem männlicher Verhaltensweisen.
Die Verwirrung, die ihre Verkleidungen ausgelöst haben, hat Liesl Karlsstadt genossen und auf humorvolle Weise davon erzählt. So habe es sie anfangs Mühe gekostet, ihre weibliche Eitelkeit zu vergessen. "Wenn ich zum Beispiel den Kapellmeister im `Vorstadtorchester spiele, mit Spitzbart und ausgestopftem Bauch, da nehmen viele, die mich in Wirklichkeit nicht kennen, an, ich wöge zwei Zentner und sei 60 Jahre alt. Ich kann aber mit gutem Gewissen versichern, dass beides nur zur Hälfte wahr ist!"