Die Bedeutung von Märchen für Kinder. – Ein Beitrag der KWA Fachakademie für Sozialpädagogik.
Nach dem Motto „Und wenn sie nicht gestorben sind…“ haben Märchen bei Kindern, aber auch bei Erwachsenen, nichts an Faszination verloren. Sie geben menschliche Erfahrungen weiter, vermitteln Sehnsüchte und auch Probleme von Kindern, entfalten Fantasie, helfen Ängste zu überwinden.
Im Märchen gibt es immer Gut und Böse, diese beiden Gegenpole werden gegeneinander aufgewogen. Es wird kein Bild einer heilen Welt gezeigt, aber eine Welt, in der das Gute siegt. Diese Hoffnung gibt Kindern Lebenskraft und Mut.
In einem Gespräch mit der Erzieherin Anja Huber wird deutlich, wie wichtig Märchen für die Entwicklung der Kinder sind. Am liebsten haben es Kinder, wenn ihnen vorgelesen oder frei erzählt wird. Das freie Erzählen bietet dem pädagogischen Fachpersonal die Möglichkeit, auf die Kinder flexibel zu reagieren und entsprechend einzugehen. Wichtig ist, immer wieder Blickkontakt zu den Kindern aufzunehmen.
Oft wird nicht der Originaltext verwendet, mit der Begründung, dass er zu grausam sei. Dazu sagt die sozialpädagogische Fachkraft: „Das finde ich sehr schade, da die Märchensprache zum Teil sehr ausgeschmückt ist und auch alte Wörter beinhaltet. Meiner Meinung nach können das die Kinder richtig einordnen.“
Bei der Märchenauswahl sollte man den Entwicklungsstand des Kindes nicht aus den Augen verlieren. Es soll zwar eindrucksvolle Erlebnisse, aber keine Schreck- und Angstmomente vermitteln.
Anja Huber
Die Klassiker im Kindergarten sind Rotkäppchen, Dornröschen, Der Wolf und die 7 Geißlein, da sie gut in der Praxis zu integrieren sind.
Kinder können durch Märchen bisweilen auch herausfordernde Situationen meistern. Anja Huber hat beispielsweise schon erlebt, dass ein Kind unter der „Geschwisterrivalität“ zu Hause litt. Es hatte das Gefühl, dass seine Geschwister von den Eltern mehr geliebt wurden. Dieses Gefühl konnte man dem Kind auch nicht ausreden. Gefühle sind kognitiv nicht zu lösen. Deshalb wurde das Märchen Aschenputtel aufgearbeitet. Durch Rollenspiel und Nacherzählen schöpfte das Kind aus dem Märchen auf vielfältige Weise Trost. Fazit war hier, dass das Aschenputtel sich gegenüber seinen Stiefschwestern durchgesetzt hat und dass Tugenden letzten Endes erkannt und Unrecht bestraft wird. Die Erzieherin hatte den Eindruck, dass das Kind mit der Situation zu Hause danach etwas besser umgehen konnte.
Märchen haben zudem Funktionen, die Kindern beim Erwachsenwerden helfen können. Immer wenn der Märchenheld in eine scheinbar ausweglose Situation kommt, die er aus eigener Kraft nicht bewältigen kann, tritt Magie ein: durch Zwerge, Zaubersprüche, Hexen oder Tiere. Diese sind die Beschützer des Guten. Die Kinder lernen hierdurch, Hilfen zu erkennen und zu nutzen.
Ein weiterer wichtiger Punkt sind Vorbilder. Kinder identifizieren sich mit Personen oder Tieren in Geschichten. Der Held im Märchen ist sein Vorbild, er hat die sozialen Eigenschaften und auch Handlungsweisen, die der Mensch fürs Leben braucht, wie zum Beispiel Gutmütigkeit, Hilfsbereitschaft oder Dankbarkeit.
Durch den pädagogischen Einsatz von Märchen können unterschiedliche Ziele erreicht werden. Im Bereich der emotionalen Bildung lernen die Kinder, dass ihre Ängste und Wünsche nicht negativ sind. Sie erkennen, dass auch andere Menschen gleiche oder ähnliche Erfahrungen hatten; sie äußern daraufhin Emotionen leichter und können auch Alltagskonflikte kreativer bewältigen.
Anja Hubers Fazit: „Märchen sind wichtig für Mädchen und Jungen. Die Fantasie wird beflügelt, bestimmte Wertvorstellungen werden vermittelt. Für meine Arbeit mit den Kindern ist das Märchen ein zentraler Baustein, den ich sehr gerne und auch regelmäßig nutze.“