Eine Einordnung der KWA-Pflegeexperten Manfred Zwick und Bianca Jendrzej. – Verfasst von Sieglinde Hankele.
Das Gesetz zur Reform der Pflegeberufe, das im Juli 2017 verkündet wurde, greift. Seit diesem Ausbildungsjahr können sich Ausbildungswillige, binnen drei Jahren, nach dem neuen Curriculum zur Pflegefachfrau bzw. zum Pflegefachmann ausbilden lassen. Die Übergangsregelung, die noch eine Zeitlang die Möglichkeit bietet, Altenpflegefachkräfte nach bisherigem Lehrplan auszubilden, nutzt KWA für neue Auszubildenden bewusst nicht – da man viele Vorteile in der „generalistischen“ Ausbildung sieht und der Abschluss der bisherigen Altenpflegeausbildung nicht europaweit anerkannt wird.
Egal ob man später in der Altenpflege, in der Krankenpflege oder in der Kinderkrankenpflege arbeiten möchte, durchläuft man zunächst die gleiche Ausbildung. Auch wenn der Ausbildungsbetrieb eine Senioreneinrichtung ist, können Auszubildende bei Praxiseinsätzen in einem Krankenhaus oder in einer Kinderklinik die deutlich anderen Anforderungen kennenlernen. Ja, sie müssen es sogar, um am Ende die Prüfung zur Pflegefachfrau bzw. zum Pflegefachmann ablegen zu können. Im 3. Ausbildungsjahr können Auszubildende zwar „abbiegen“, um einen gesonderten Abschluss in der Altenpflege oder in der Gesundheits- und Kinderkrankenpflege zu erwerben. Doch damit engen sie ihre späteren beruflichen Möglichkeiten ein.
Für die Umsetzung der neuen Ausbildung ist der Ausbildungsbetrieb verantwortlich. Um die Beschulung nach neuem Curriculum sicherzustellen, hat KWA an jedem Standort Kooperationen mit Schulträgern geschlossen. Fast überall klappte das reibungslos. Die meisten Schulen haben sich auf die neue Ausbildung gut vorbereitet. Dass das vorgegebene, dezidierte Ausbildungskonzept an den Schulen durchaus unterschiedlich umgesetzt wird, muss kein Nachteil sein. Wenn die einen schauen, wie die anderen mit Vorgaben umgehen, können alle voneinander lernen und sich verbessern. Eine so grundlegende Änderung in der Ausbildung kann nicht ab der ersten Stunde das Optimum bereithalten. Alle werden mit den neuen, veränderten Aufgaben wachsen. Im Rahmen einer Kooperation von KWA mit der München Klinik werden gerade gemeinsam Lernaufgaben für die Auszubildenden entwickelt.
Die Suche nach Praxisplätzen in der Kinderkrankenpflege hat sich – erwartungsgemäß – als schwierig erwiesen. Es gibt einfach nicht genug Kinderkliniken und -abteilungen, um die große Zahl an Pflegeauszubildenden für die vorgesehene Zeitspanne dort einsetzen zu können. Auch Kinderarztpraxen kommen an Kapazitätsgrenzen. Diese Zusatzbelastung wollen und können sie verständlicherweise nur für so viele Auszubildende tragen, wie sie sie selbst brauchen. Derzeit wird deshalb sogar Arbeit in Kindergärten als Einsatz im Bereich Kinderkrankenpflege anerkannt. So war das sicherlich nicht gedacht. Da wird man bezüglich der Vorgaben wahrscheinlich noch nachjustieren müssen.
Doch nun zu den positiven Seiten der „generalistischen“ Ausbildung. Angetan von der neuen Pflegeausbildung sind sowohl KWA-Geschäftsleiter Manfred Zwick als auch die KWA-Pflegeverantwortliche Bianca Jendrzej vor allem deshalb, weil sich der Maßstab von Pflege durch die neue Ausbildung ändern wird: Früher wurde der Fokus auf einzelne Tätigkeiten gerichtet und verschiedene Themenblöcke wurden nacheinander unterrichtet. Nun werden Auszubildende von Anfang an auf komplexe, unterschiedlichste Pflegesituationen vorbereitet. Wer beispielsweise einem dementen alten Menschen Essen zum Mund führt, muss anderes bedenken, als jemand, der ein krankes Kleinkind füttert. Das Verknüpfen von Wissen über Demenz und Ernährung wird an konkreten Beispielen durchgespielt und gelehrt.
Pflegefachkräfte sollen vor allem eine hohe Transfer-Kompetenz erwerben. Was den neu geschaffenen Beruf ebenfalls attraktiv macht: Durch das Pflegeberufegesetz sind erstmals bestimmte berufliche Tätigkeiten dem Pflegeberuf vorbehalten. Der Beruf wird dadurch deutlich interessanter: Wer Pflegefachmann oder –frau ist, darf zum Beispiel pflegerische Tätigkeiten steuern und entsprechende Maßnahmen ableiten – sowie auch „auf die andere Seite wechseln“, um Pflegebedürftige bezüglich des Pflegegrads zu begutachten. Wobei die Vorbehaltsaufgaben laut Bianca Jendrzej noch nicht in Stein gemeißelt sind. Um sie zu präzisieren und unterschiedliches Vokabular auf einen Nenner zu bringen, hat die Bayerische Vereinigung der Pflegenden ein bundesweites Treffen in Berlin initiiert – auch KWA war und ist dabei und bringt diesbezüglich vorhandene Expertise ein.
Die pflegerische Kompetenz für Vorbehaltsaufgaben wird nach der neuen Ausbildung vorhanden sein. Doch auch methodische, soziale, interkulturelle und kommunikative Kompetenzen sollen im Rahmen der neuen Ausbildung entwickelt werden. Pflege im Sinne des neuen Pflegeberufegesetzes umfasst präventive, kurative, rehabilitative, palliative und sozialpflegerische Maßnahmen zur Erhaltung, Förderung, Wiedererlangung oder Verbesserung der physischen und psychischen Situation der zu pflegenden Menschen, sowie die Beratung, überdies die Begleitung Sterbender (vgl. Gesetz zur Reform der Pflegeberufe, § 5 Ausbildungsziel).
Die KWA-Pflegeverantwortliche Bianca Jendrzej denkt: „Wer sich nach der neuen Ausbildung am Ende für welche Arbeit entscheidet, ist wahrscheinlich typbedingt. Es gibt Menschen, die am Pflegeberuf insbesondere die Beziehungsarbeit mögen – sie werden sich vermutlich für die Altenpflege entscheiden: weil die Menschen, um die sie sich kümmern, oftmals mehrere Jahre in der Einrichtung leben. In Senioreneinrichtungen herrscht zudem in der Regel eine familiäre Atmosphäre vor, sodass sich die zu Pflegenden geborgen und zu Hause fühlen. Auch das kommt empathischen Pflegekräften sehr entgegen.“ Die Arbeit in einer Klinik mit immer kürzer werdender Verweildauer der Patienten erfordert hingegen die Bereitschaft, sich täglich auf neue Menschen einzulassen, zudem wird man in der Krankenpflege auch oft mit Notfällen oder Intensivmedizin konfrontiert. Das ist nicht jedermanns Sache. Dafür braucht es einen kühlen Kopf, gegebenenfalls auch hohes Tempo. „In der Altenpflege haben wir ganz klar einen bewohnerzentrierten Ansatz“, ergänzt Manfred Zwick. „Unsere Pflegefachkräfte haben deshalb deutlich mehr Gestaltungsspielraum als in einer Klinik.“
Zum 1. Januar 2020 wurde die Ausbildungsumlage bundesweit vereinheitlicht. Wie viel davon in welches Unternehmen fließt, hängt von der Ausbildungsquote ab. Das 1. Ausbildungsjahr in der Pflege wird komplett durch Mittel aus dieser Umlage finanziert, auch die Kosten für die Praxisanleitung. Das ist eine große Aufwertung der praktischen Ausbildung. Bei zehn Auszubildenden kann ein Praxisanleiter komplett von anderer Arbeit freigestellt werden. Die Praxisanleiter sind der Schlüssel für das Gelingen der Ausbildung. Deshalb werden auch sie gut aus- und weitergebildet, bei KWA unter Einbindung von externen Experten. Und das aus gutem Grund: Die gesetzlichen Vorgaben für die praktische Ausbildung sind schärfer gefasst als in der bisherigen Ausbildung. Praxisanleiter sind nun zwingend vorgeschrieben. Auch für die Anleitungszeit und die Einsatzplangestaltung gibt es Vorgaben, die einzuhalten und zu dokumentieren sind. Das entsprechende neue KWA-Ausbildungskonzept für Pflegekräfte baut darauf auf, wird kontinuierlich evaluiert und zusammen mit den Praxisanleitern weiterentwickelt.
Die vom Gesetzgeber gewollte Aufwertung von Pflegearbeit muss, so Manfred Zwick, auch mit einer finanziellen Aufwertung verbunden sein, die von der Solidargemeinschaft getragen wird – in welcher Form dies geschieht, sei eine Aufgabe der Politik. Auch über die Finanzierung der schulischen Ausbildung müsse nachgedacht werden. Derzeit gibt es zwischen 8000 Euro und 9000 Euro pro Schüler und Jahr. Das reicht bei Weitem nicht für das, was in der Beschulung gefordert wird. Dennoch sind alle KWA-Verantwortlichen zufrieden mit dem Start der neuen Pflegeausbildung und zuversichtlich, dass sich künftig mehr Menschen für den Pflegeberuf entscheiden – und dort auch verbleiben.
In der Altenpflege haben wir ganz klar einen bewohnerzentrierten Ansatz. Unsere Pflegefachkräfte haben deshalb deutlich mehr Gestaltungsspielraum als in einer Klinik.
Manfred Zwick. - Der KWA-Geschäftsleiter verantwortet den Bereich Pflege.
Wer sich nach der neuen Ausbildung am Ende für welche Arbeit entscheidet, ist wahrscheinlich typbedingt. Es gibt Menschen, die am Pflegeberuf insbesondere die Beziehungsarbeit mögen – sie werden sich vermutlich für die Altenpflege entscheiden.
Bianca Jendrzej. - KWA-Pflegeexpertin.