Ein Beitrag von Prof. Dr. Thomas Klie.
Nach der Feuerwehr rangieren die Pflegekräfte ganz oben im Ansehen der bundesdeutschen Bevölkerung. In der Langzeitpflege ist ihr Ansehen und das Vertrauen, das die Bürger in sie setzen, sogar höher oder ebenso hoch wie das, das Ärztinnen und Ärzten attestiert wird. Und nicht zuletzt in der Coronakrise hat sich gezeigt, wie unverzichtbar Pflegekräfte mit ihrem Wissen, mit ihrem pflegerischen Können, mit ihrer Empathie, aber auch ihrer Fähigkeit sind, Trost zu spenden.
Die Ausbildung der Pflegekräfte in Deutschland hat sich in den vergangenen Jahren deutlich weiterentwickelt. Seit diesem Jahr gibt es die sogenannte generalistische Ausbildung: Die früher getrennten Pflegeberufe Kinderkrankenpflege, Gesundheits- und Krankenpflege und Altenpflege beginnen in jedem Fall ihre Ausbildung gemeinsam und sollten sie nach Möglichkeit auch mit einem gemeinsamen Abschluss abschließen, der sie – wie Juristen und Ärzte – in allen relevanten pflegerischen Aufgabenbereichen qualifiziert. Übergangsweise wird es allerdings den gesonderten Altenpflege- und Abschluss in der Kinderkrankenpflege weiterhin geben.
Pflegekräfte sind schon lange nicht (mehr) Handlanger der Ärzte und ihnen nicht in jeder Hinsicht nachgeordnet. Das hat nun auch der Gesetzgeber anerkannt, indem er den Pflegekräften ganz eigene Verantwortungsbereiche überträgt. Sie sollen mit ihrer Kompetenz zu Kollegen „auf Augenhöhe“ mit den Medizinern werden. Im Ausland ist das längst der Fall – in Kanada, in England, in Australien und Schweden etwa kommt den Pflegekräften eine zentrale und gleichberechtigte Stellung unter den Heilberufen zu.
Diese Stellung, die auch den Pflegekräften in Deutschland zunehmend eingeräumt wird, sie ist auch mit rechtlicher Verantwortung verbunden. So hat der Gesetzgeber sogenannte Vorbehaltsaufgaben für die Fachpflege definiert und geregelt. Ebenso wie Ärzte eine Diagnose stellen, stellen die Pflegekräfte den fachpflegerischen Unterstützungsbedarf fest: Wo bestehen gesundheitliche Einschränkungen? Wo gilt es weiteren Erkrankungen präventiv vorzubeugen? Wie kann die Selbstsorgefähigkeit gestärkt, wo können Rehabilitationspotentiale genutzt werden? Und wie kann durch die Pflege ein Beitrag dazu geleistet werden, dass Menschen auch mit einem dauerhaften Pflegebedarf ein gutes Leben führen können – bis zu Letzt? Diese Fragen liegen in der Verantwortung der Pflegefachfrauen und -männer, wie sie nun im Gesetz genannt werden. Diese Aufgaben dürfen auch nur von ihnen wahrgenommen werden.
Das heißt nicht, dass jede pflegerische Handlung von Pflegefachkräften durchgeführt werden müsste. Mitnichten. Ob nun An- und Zugehörige sich beteiligen oder Assistenzkräfte: Die Fachpflegekräfte haben aber dafür Sorge zu tragen, dass der Pflegeprozess so gestaltet wird, dass die mit dem Patienten und dem auf Pflege angewiesenen Menschen vereinbarten Ziele bestmöglich erreicht werden können.
Von der Steuerung des Pflegeprozesses ist da die Rede: Pflegeassessement, Pflegeplanung, Pflegeevaluation – das sind die Fachbegriffe, von denen die Pflegewissenschaft im Zusammenhang mit der Steuerung des Pflegeprozesses spricht. Eng abgestimmt mit anderen Gesundheitsberufen, mit den Ärzten, mit Therapeuten – und immer in Aushandlung mit dem Patienten oder auf Pflege angewiesenen Menschen. Für die Zukunft wird man wie im Ausland den Pflegefachfrauen und -männern auch Aufgaben der Heilkunde übertragen. Die Verordnung von Pflege- und medizinischen Hilfsmitteln ist sinnvollerweise ihnen zu übertragen wie die Verordnung von häuslicher Krankenpflege. Von Schmerzmanagement verstehen Pflegekräfte häufig deutlich mehr als Ärzte: Auch hier sollte man ihnen weitere Kompetenzen übertragen. In Coronazeiten war und ist dies möglich.
Ohne motivierte Pflegekräfte, ohne gut qualifizierte Pflegefachfrauen und -männer funktioniert weder das deutsche Gesundheitswesen noch die Langzeitpflege. Es muss aber gleichwohl sichergestellt werden, dass die Pflegekräfte ihrer alten und neuen Verantwortung auch tatsächlich gerecht werden können.
Nicht nur das Ansehen in der Bevölkerung, auch die tatsächliche Kompetenz ist gefragt. Darum regelt der Gesetzgeber die Vorbehaltsaufgaben, darum werden in manchen Bundesländern Pflegekammern eingerichtet oder wie in Bayern die Vereinigung der Pflegenden (VdPB) gegründet. Nicht jede Fachkraft kann das, was der Gesetzgeber von ihm oder ihr erwartet. Darum hat KWA ein Konzept der Qualifikationsniveaus für die Pflege eingeführt, das vorbildlich ist. Darum gibt es Weiterbildungs- und Fortbildungsverpflichtungen für bestimmte Aufgaben. Nur einer Pflege, die ihre Verantwortung tatsächlich auch durch Kompetenz einlöst, wird man auf Dauer vertrauen.
Der Autor dieses Beitrags, Prof. Dr. Thomas Klie, ist Professor für öffentliches Recht und Verwaltungswissenschaft an der Evangelischen Hochschule Freiburg, Privatdozent an der Universität Klagenfurt, Rechtsanwalt in Freiburg und Berlin, zudem Institutsleiter von AGP Sozialforschung, als auch Leiter des Zentrums für zivilgesellschaftliche Entwicklung in Freiburg und Berlin.
Die Forschungsschwerpunkte des Rechtswissenschaftlers liegen in der sozialen Gerontologie und Pflege, Zivilgesellschaft, Rechtstatsachenforschung. Er gilt als einer wichtigen Sozialexperten in Deutschland. Unter anderem brachte er seine Expertise ein als Mitglied der 6. und 7. Altenberichtskommission der Bundesregierung und als Vorsitzender der 2. Engagementberichtskommission der Bundesregierung.
Ohne motivierte Pflegekräfte, ohne gut qualifizierte Pflegefachfrauen und -männer funktioniert weder das deutsche Gesundheitswesen, noch die Langzeitpflege.
Thomas Klie