Ein Beitrag von Bianca Jendrzej (Leiterin Qualität-Prozesse-Strukturen bei KWA).
Corona hat zum Schutz der gesamten Bevölkerung restriktive Maßnahmen erfordert, die es konsequent umzusetzen galt, was auch in hervorragendem Maße geleistet wurde. Dennoch musste im Einzelfall um Lösungen gerungen werden.
Das Gefühl, das vor allem seitens der Behörden in den Vordergrund gerückt wurde, ist und war die Maxime „Sicherheit vor der Ansteckung“. So haben vor allem das Besuchsverbot und das Maximieren hygienischer Maßnahmen zunächst Sicherheit bedeutet. Doch die Menschen, ihre Bedürfnisse und ihr Alltag sind – auch im Alter – sehr verschieden, auch in der Corona-Krise. Und Wohnstifte, Alten- und Pflegeheime sind Orte des Lebens, wo die Menschen zu Hause sind. So galt es, nicht nur den Schutz vor Ansteckung in den Blick zu nehmen, sondern auch den Schutz des Zuhauses.
Das Verständnis von KWA baut darauf auf, den Menschen, die bei uns leben, möglichst in ihrem Erleben von Zugehörigkeit zu unterstützen. Hierbei sind die Beziehungen zur Familie und zu Freunden gleichermaßen zu betrachten wie die Kontakte zu Bewohnerinnen und Bewohnern. Die Schließung der Einrichtungen für Besucher hat große Herausforderungen mit sich gebracht, da bei aller Konsequenz der Umsetzung Ziel sein musste, Depression oder Selbstaufgabe zu verhindern und die Bande zu den Menschen, die für Bewohner bedeutsam sind, möglichst aufrechtzuerhalten. Damit verbunden war vor allem die Aufgabe, Angebote innerhalb der Einrichtung so lange wie möglich fortzuführen, damit die Begegnungen innerhalb der Bewohnerschaft gestärkt, und Ausnahmeregelungen für Besucher im Einzelfall zu getroffen werden konnten, wenn eine Kappung familialer Kontakte mit einem höheren Risiko als Corona bewertet wurden.
Die Lösungen, die gefunden wurden, waren geprägt durch Kreativität und größtmöglichem Schutz der Bewohner. So wurden Angehörige, deren Anwesenheit zum Gelingen der Situation zwingend nötig war, nach ausführlichen Gesprächen und Einweisung in Hygieneregeln, mit der nötigen Schutzausrichtung versehen: beispielsweise zur Begleitung eines Bewohners bei vorliegender MS oder massiv nachlassenden Kräften.
Auch für die Gemeinschaft wurden – nach ermöglichten Lockerungen – Lösungen gesucht, wie zum Beispiel eine Gestaltung von Besuchsräumen, die im Einklang mit den Anordnungen des jeweiligen Bundeslandes steht. Doch die Trennung durch eine Scheibe mutete manchem eher negativ an, und Bewohner mit nachlassenden kognitiven Fähigkeiten, die mit sichtbarer Irritation die Scheibe berührten, berührten die Herzen ihrer Angehörigen und Mitarbeiter ganz besonders, da ja der körperliche Kontakt nicht zugelassen werden konnte und der Trost sich auf Worte, Blicke und Gesten beschränken musste.
So wurde hier zur wichtigsten Aufgabe, notwendige Maßnahmen bestmöglich zu erklären; aber auch: sich in Momenten des Zweifels gegenseitig zu tragen und zu unterstützen und die positiven Erlebnisse und Momente in den Vordergrund zu rücken. So wurden beispielsweise in den Gärten mit Tischen und Stühlen Besuchernischen aufgebaut, um mehr Begegnungen zu ermöglichen, Cafés wieder geöffnet und vorher anders genutzte Räumlichkeiten als Begegnungsstätten umgenutzt.
So kann zusammenfassend gesagt werden, dass eine so herausfordernde Lebens- und Arbeitsphase nur dann gelingen kann, wenn man zu keiner Zeit aufhört, den Menschen in den Blick zu nehmen. Ein Garant dafür sind interdisziplinäre Fallbesprechungen zu den einzelnen Bewohnern, wo kreative und mutige Einzelfallentscheidungen getroffen wurden und werden. Die zumeist wirklich gute Zusammenarbeit mit den Gesundheitsämtern, die sich durch feste Ansprechpartner manifestierte, haben viele Absprachen und so manche Entscheidung nach dem Prinzip der geteilten Verantwortung möglich gemacht: Entscheidend war und ist, dass neben den Betroffenen und Angehörigen, Behörden und Einrichtungsleitern sowie ihren Teams auch KWA als Träger besondere Lösungen zuließ und zulässt. Nur selten sind diese nachvollziehbaren und individuellen Maßnahmen aus Angst vor der Verantwortungsübernahme gescheitert, sondern wurden in den allermeisten Fällen aus Sorge um den Bewohner gemeinsam ermöglicht.
Zugleich hat Corona uns gelehrt, wie wichtig die Gemeinschaft in der Einrichtung ist und welches Potential in ihr wohnt, durch solche Zeiten zu tragen. Möglich sind individuelle Angebote vor allem durch den Einsatz der Mitarbeiter der Persönlichen Assistenz, der Betreuung und des Service, deren Bedeutung für gutes Leben sich erneut gezeigt hat. Dass Pflegekräfte bei Menschen mit gesundheitlichen Einschränkungen die Basis guten Lebens schaffen und erhalten, steht außer Frage. Hier wurde unter herausfordernden Bedingungen hervorragende Arbeit geleistet. Zudem war und ist die Bereitschaft aller anderen Berufsgruppen nötig, Aufgaben außerhalb des sonstigen Tuns zu übernehmen, um gemeinsam den geänderten Alltag zu gestalten. Auch das war der Fall.
Die Schließung der Einrichtungen für Besucher hat große Herausforderungen mit sich gebracht, da bei aller Konsequenz der Umsetzung Ziel sein musste, Depression oder Selbstaufgabe zu verhindern und die Bande zu den Menschen, die für Bewohner bedeutsam sind, möglichst aufrechtzuerhalten.
Bianca Jendrzej
Eine so herausfordernde Lebens- und Arbeitsphase kann nur dann gelingen, wenn man zu keiner Zeit aufhört, den Menschen in den Blick zu nehmen. Ein Garant dafür sind interdisziplinäre Fallbesprechungen zu den einzelnen Bewohnern, wo kreative und mutige Einzelfallentscheidungen getroffen wurden und werden.
Bianca Jendrzej
Pflegekräfte schaffen und erhalten bei Menschen mit gesundheitlichen Einschränkungen die Basis guten Lebens.
Bianca Jendrzej