Ein Beitrag von Jörg Peter Urbach.
Wenn Otto Glas die Geschichte seines Unternehmerlebens erzählt, ist das ein Parforceritt. Er weiß die Fakten humorvoll und stets passend mit Anekdoten auszuschmücken, gewürzt mit geerdetem niederbayerischem Dialekt. Und Otto Glas hat viel zu erzählen. Er ist ein Mann, der Widrigkeiten getrotzt hat und dabei stets einen geraden Weg gegangen ist – vom wissbegierigen Lehrbuben bis zum Chef eines technischen Großhandels mit sieben Standorten, in Bayern und Österreich.
Doch der Reihe nach. Seine Ausbildung zum Großhandelskaufmann absolvierte Glas im elterlichen Motorenhandel in Landshut. Um in der schweren Nachkriegszeit wirtschaftliche Verbindungen zu den US-amerikanischen Besatzern aufzubauen, suchte das Unternehmen eine Dolmetscherin. "Und dann stand da auf einmal die Gerti, ein g’scheites, wunderschönes Mädchen, das gerade ein Jahr in Amerika war. Wir haben uns schon gefallen", erinnert sich Otto Glas an die große Liebe. Otto und Gerti beschlossen, gemeinsam nach Eggenfelden zu gehen, dort ein neues Unternehmen zu gründen, um so eine alleinige Werksvertretung, u. a. für Kugellager, zu erhalten. Ein Schritt, den beider Eltern kritisch sahen, weil Ehen zwischen Katholiken und Protestanten damals nicht gern gesehen waren. "Das war mir gleich. Als Gerti 1955 volljährig wurde, haben wir gleich geheiratet. Evangelisch. Da hat meine Mutter ein halbes Jahr nicht mehr mit mir gesprochen", erzählt Glas.
Vertrauen und Ehrlichkeit sind das Wichtigste. Egal, was Sie tun.
Otto Glas
Den Betrieb in Eggenfelden bauten Otto und Gerti ohne jegliche finanzielle Unterstützung, aber mit jeder Menge Fleiß und beharrlichem Willen auf. "Wir brauchten Geld und so habe ich mein Motorrad für 1.000 Mark verkauft. Und einige Firmen gaben mir Warenkredit." Tatkräftige familiäre Unterstützung erhielt der junge Glas von einem Cousin, der ihm bei seinen ersten Schritten im Vertrieb unter die Arme griff. Im Lauf der Jahre entwickelte das Ehepaar Glas das Unternehmen kontinuierlich weiter, Schritt für Schritt, und der umtriebige Otto – "Ich kann halt nicht ruhig sitzen" – engagierte sich zudem über 30 Jahre im Stadtrat von Eggenfelden und zwölf Jahre lang als Kreisrat von Rottal-Inn. Dort knüpfte er ein Netzwerk, das auch in schwierigen Zeiten hielt. 1969 wurde eine Niederlassung in Ergolding gegründet, 1986 und 1988 Firmen in Rosenheim und Altötting übernommen.
2002 übergab Otto Glas seine Firma dann hälftig an seine Söhne Dieter, der den Kfz-Bereich in Rosenheim leitet, und Peter, der die Industriesparte in Pfarrkirchen verantwortet. "Völlig schuldenfrei", wie der Unternehmer betont. Heute ist der technische Großhandel GoGlas ein erfolgreicher Mittelständler mit über 200 Mitarbeitern, die Kunden wie BMW und Wacker in den Sparten Industrietechnik, Kfz-Verschleißteile und Werkstattausrüstung versorgen. Was war das Geheimnis des Erfolges von Otto Glas? "Man muss als Mensch und Unternehmer immer verlässlich sein und seine Abmachungen einhalten. Aus betriebswirtschaftlicher Sicht habe ich immer versucht, die neuen Firmengrundstücke zu kaufen, nicht zu pachten."
Glas lebt seit 2019 im KWA Stift Rupertihof. Mobil ist er auch mit 89 Jahren noch. "Zwei Dinge sind mir wichtig, mein Hirn und mein Autoschlüssel." Otto Glas fährt mit seinem Mercedes immer noch gerne in seine Heimat Eggenfelden, wo sich die "Zehn G’scheiten" einmal in der Woche zum Stammtisch treffen. Zudem ist er seit 25 Jahren begeisterter Saunagänger. Seit Juni engagiert er sich im Haus als neu installierter Stiftsbeirat. "Vertrauen und Ehrlichkeit sind das Wichtigste. Egal, was Sie tun. Das sage ich meinen Söhnen auch heute noch."
Zwei Dinge sind mir wichtig, mein Hirn und mein Autoschlüssel.
Otto Glas