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alternovum Ausgabe 1/2022

Yoga ist keine Frage des Alters

Kursleiterin Bettina Nowak bietet im KWA Stift am Parksee Übungen und Meditation im Sitzen an. – Ein Beitrag von Sieglinde Hankele.

Unterhaching, 02. April 2022

Yoga mit hundert? Geht das? Durchaus. – Wenn man Gertraud Krebs heißt und im KWA Stift am Parksee in Unterhaching wohnt.

Ich begleite sie zur Yogastunde am Freitagnachmittag. Ehe wir losgehen, plaudern wir ein wenig. Zwei Söhne hat sie großgezogen und dem Mann das Büro geführt. Geboren ist sie mitten in München, am Platzl, auch dort aufgewachsen. Die Erinnerungen an das zerbombte München und die schweren Jahre sind verblasst. Gerne denkt sie an Aufführungen in der Staatsoper zurück, an besondere Künstler, schöne Kostüme und malerische Bühnenbilder. Schon als Mädchen hat sie sich dafür begeistert, sogar als Statistin mitgewirkt, unter anderem in „Aida“. Die Liebe zur Oper blieb das ganze Leben. Gemeinsam mit ihrer Schwester besuchte sie unzählige Inszenierungen. 

Die letzten vierzig Jahre vor dem Einzug ins Stift lebte sie in Grünwald. Gartenarbeit und Waldspaziergänge mit dem Hund bereiteten ihr im Alltag Freude. Wenn das Wetter gut ist, geht sie auch heute noch gerne spazieren; seit einiger Zeit mit Rollator, weil ihr hin und wieder schwindelig wird. In der Wohnung nimmt sie ihn nicht. –  Es ist an der Zeit aufzubrechen. Scheinbar mühelos wechselt Gertraud Krebs das Oberteil, über den Kopf. Auch das Binden der Sportschuhe gelingt im Stehen. Wie man so fit bleibt und so alt wird? Geraucht hat sie nie, doch sonst auf nichts verzichtet. 

Auf dem Weg zum Yoga passe ich mich ihrem Tempo an. Sie ist flott unterwegs mit dem Rollator, will pünktlich sein. Wieso „Traudl“ zum Yoga geht? „Die Übungen tun mir gut. Außerdem ist mir die Kursleiterin sehr sympathisch“, sagt sie. 

Wir sind am Saal angelangt. Hatha-Yogalehrerin Bettina Nowak und einige Teilnehmer sind bereits da. Am Ende sind es acht Frauen und zwei Männer, die an diesem Tag mitmachen. Der Raum bietet reichlich Platz, ist wohltemperiert. Ein kleines Gerät gibt ein Signal, wenn gelüftet werden sollte. Hocker bilden einen Kreis. Sie stellen einen Abstand von anderthalb Metern sicher. – Warum werden eigentlich keine Matten ausgerollt? „Yoga mit dem Stuhl ist eine wunderbare Alternative, wenn man nicht mehr auf dem Boden üben mag oder kann“, sagt Nowak. Viele haben Probleme mit den Gelenken, oft mit den Knien. Hocker oder Stuhl eignen sich sowohl für Atem- und Bewegungsübungen als auch für die Entspannung. So können auch Rollstuhlfahrer und Menschen mit kognitiven Einschränkungen teilnehmen, sogar Erblindete.

Bettina Nowak variiert gerne, hat sanfte, vitalisierende und kräftigende Übungen im Programm. Hin und wieder fordert sie die Teilnehmer dazu auf, sogenannte „Brasils“ in die Hände zu nehmen: genoppte Kunststoff-Eier, die deutlich besser in der Hand liegen als konventionelle Handgewichte. Sie verbessern Kraft, Koordination und Körperwahrnehmung. 

„Die regelmäßige Bewegung bei der Yogastunde ist für alle gut. Außerdem entwickelt sich dabei ein Gemeinschaftsgefühl“, sagt Bettina Nowak. Und worin unterscheidet sich Yoga von Gymnastik? „Yoga ist definitiv mehr“, führt Nowak aus, „die Teilnehmer lernen bei den Übungen, sich selbst zu spüren und auf ihren Atem sowie auf Körpersignale zu achten. Yoga schafft eine stabile körperliche und emotionale Grundlage, hilft dabei, eine innere Balance zu finden.“ Yoga gilt als philosophische Lehre, die mit Hilfe körperlicher und geistiger Übungen ein Weg zur Selbsterkenntnis sein kann. Bei Hatha-Yoga wird das Gleichgewicht zwischen Körper und Geist vor allem durch körperliche Übungen (Asanas), Atemübungen (Pranayama) und Meditation angestrebt.

Als die Stunde beginnt, senkt die Yogalehrerin die Stimme. Sie gibt ruhige Anweisungen, geht von Teilnehmer zu Teilnehmer, korrigiert hier und da die Haltung, erinnert daran, Grenzen zu spüren und zu achten. Zu Beginn einer Meditation schleiche ich aus dem Saal. Das Kursangebot im Unterhachinger KWA-Wohnstift richtet sich an Bewohner jeden Alters, an Yoga-Erfahrene und an Einsteiger – wie Gertraud Krebs. Sie hat mit 98 damit angefangen. 

Impressionen von Übungen mit Brasils

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