Warum in der Behindertenarbeit der Spaßfaktor nicht fehlen darf. – Ein Beitrag von Robert Paulus und Schülern der KWA Fachschule für Heilerziehungspflege.
Wer die englische Vokabel für Glück als happiness – mit „a“ – in Erinnerung hat, hat Recht. Dem, der in der Überschrift nun aber einen Rechtschreibfehler vermutet, darf ich sagen: Heilerziehungspflege, also die Arbeit mit Menschen mit Behinderung, wird gern als „HEP“ abgekürzt. Heppiness ist in diesem Sinn eine Wortneuschöpfung. Und hier nun soll es um eben genau das gehen: Um Glück, Freude, Spaß und Lachen – eben im Kontext der Arbeit mit Menschen mit körperlichen, geistigen oder seelischen Einschränkungen. Zusammen mit dem Mittelkurs gehen wir auf Spurensuche. Schriftliche Gedanken haben sich Schüler im 2. Ausbildungsjahr an der HEP-Fachschule am KWA Bildungszentrum in Pfarrkirchen gemacht.
Schüler Alexander aus Vilshofen bringt das Wort „heppiness“ ins Spiel, eine andere Schülerin, Ulrike aus dem Raum Mühldorf, merkt dazu an: „Unser Beruf, unsere Arbeit verbindet alles vom Clown und Animateur bis zum Zuhörer. Wir blödeln, machen Witze und lachen über uns selbst mit den Menschen. Der Tag würde ohne Lachen und Humor nicht funktionieren. Das ist genauso wichtig wie Empathie und Wertschätzung. Humor und Witz haben einen ähnlichen Stellenwert.“ Das ist interessant, denn: Hat man Menschen mit Behinderung vor Augen, überkommt den ein oder anderen vielleicht ein beklemmendes Gefühl… Wie gehe ich richtig mit ihm oder ihr um?
Ist es nicht eine tagtäglich leidvolle Erfahrung, behindert zu sein? Bei allen Schwierigkeiten: Humor soll und muss dazugehören – einfach um der Normalität willen. „Wenn wir den Menschen mit Behinderung Humor versagen, versagen wir ihnen auch Inklusion, denn Normalität ist unser Anliegen. Aber selbstverständlich ist das individuell einzusetzen, um nicht verletzend zu sein.“ Was Liane aus Neuötting hier anspricht, ist das Normalisierungsprinzip. Möglichst in allen Dingen einen „normalen Alltag“ ermöglichen, darum geht es.
Inklusion meint den Abbau aller Barrieren in einer Gesellschaft, sodass eine gleichberechtigte Teilhabe für alle möglich wird. Solche Barrieren sind nicht nur die Stufen vor öffentlichen Einrichtungen oder Geschäften. Solche Barrieren sind auch die in unseren Köpfen; eine könnte sein: Behinderung und Spaß geht nicht zusammen. Eben doch, wie eine kleine Begebenheit der Schülerin Irene, ebenfalls tätig in Neuötting, zeigt: „Eine Dame erzählt jeden Tag, sie sei in der Nacht aus dem Bett gefallen, niemand hätte ihr geholfen und sie habe sich diverse Verletzungen zugezogen. Diesmal habe sie sich den Arm verstaucht, dieser sei stark geschwollen. Ich bemitleide sie wie gewohnt und wir echauffieren uns wie gehabt über die verheerenden Verhältnisse in der Einrichtung. Alles im gewohnt spöttischen Ton. Meine Bewohnerin mustert mich lange und fragt mich unvermittelt, ob mich dasselbe Schicksal ereilte? Ich fragte sie: Warum? Antwort: Weil mein Arm doch auch so stark geschwollen sei. Ich musste lauthals lachen und sagte, dass der Arm nur so dick ist, weil ich insgesamt auch so dick bin. Wir lachten gemeinsam so ausgelassen, dass wir uns die Bäuche hielten. Diesmal ging der Spaß auf meine Kappe, das macht nichts, weil sie mich damit nicht verletzen wollte.“
Kennen Sie den Satz: „Bis der Spaß ein Loch hat“? Es muss also offensichtlich eine Grenze des Humors geben. Worüber darf man lachen? Worüber nicht? Was ist „politisch korrekt“? Irene versucht es zu fassen: „Wenn eine Gruppe oder ein Einzelner verspottet, ausgelacht, bloßgestellt wird, hat das nichts mit Humor zu tun.“ Wir könnten es mit dem oben genutzten Bild der Barrieren auch so sagen: Spaß auf Kosten anderer baut Barrieren auf, echter Humor baut diese ab. Ihr Mitschüler Andreas schreibt dazu: „Humor spielt in der Heilerziehungspflege eine wichtige Rolle, da er eine positive und verbindende Wirkung haben kann. Durch den Einsatz von Humor können Barrieren abgebaut und Beziehungen zu den betreuten Menschen aufgebaut werden. Humor kann helfen, eine entspannte und positive Atmosphäre zu schaffen und den Alltag der Menschen mit Behinderungen aufzulockern.“
Dabei ist Humor nicht gleich Humor. Jeder Mensch ist einzigartig. Und das ist bei Menschen mit Beeinträchtigungen nicht anders. Die Arbeit als HEP (Heilerziehungspfleger) bedeutet, respektvoll zu sein. Noch einmal Andreas aus Altötting: „Es geht darum, den individuellen Geschmack und die Grenzen der betreuten Personen zu respektieren. Was für eine Person lustig ist, kann für eine andere Person unpassend oder sogar verletzend sein. Daher ist es wichtig, den Humor stets sensibel einzusetzen und auf die Bedürfnisse der Menschen einzugehen, mit denen man arbeitet.“
Hier erklärt sich der Titel dieses Beitrags „Ein Hauch von Heppiness“. Ein Hauch ist etwas Sanftes, etwas, das nicht stampfend-erschlagend daherkommt. Humor, Hauch und Happy-/Heppy-Sein haben eins gemeinsam: die Leichtigkeit des Seins. Es gibt Menschen mit Behinderung, die machen selbst Comedy. Sie lachen über sich selbst, nehmen nicht alles bierernst, auch und gerade nicht ihre Behinderung. Humor, Spaß und Lachen werden hier zu Werkzeugen, ja mehr noch zu Wegen eines Welt-Zugangs, sie erschließen Welten und fördern Beziehungen.
Antonia formuliert es so: „Ich kann nur aus Erfahrung sprechen, dass meine Klienten einen lockeren, ‚neckischen‘ Umgang genießen, indem sie mir mit ihrer Reaktion eines lauten Lachens oder Lächelns Rückmeldung geben.“ Eine andere Schülerin des Mittelkurses, Ariane, fasst zusammen: „Indem Humor sensibel und respektvoll eingesetzt wird, kann er ein wertvolles Werkzeug sein, um das Wohlbefinden und die Lebensqualität der Menschen zu erleichtern bzw. zu verbessern.“
Dies alles nimmt nicht die Schwierigkeiten, die sich alltäglich im Leben von Menschen mit Behinderungen zeigen. Nicht selten sind das Probleme, die sich erst kurzfristig auftun. Sie zeigen: Unsere Gesellschaft hat auf dem Weg bis zur vollen Inklusion noch ein großes Stück vor sich. Humor aber ist ein Wanderstab, auf den man sich stützen kann, um diesen Weg leichter zu gehen. Das wird nicht die Anstrengungen wegnehmen, die auch die Arbeit in der Heilerziehungspflege bedeuten. Aber die menschenzugewandte Haltung, die sich in feinsinnigem Humor zeigt, ist wie eine erfrischende Brise oder, um das Wort des Anfangs nochmals aufzugreifen, wie ein „Hauch von Heppiness“.