Menu
alternovum online

Kurioses vom Münchner Oktoberfest

Von Hans Kinzl.

München, 19. Oktober 2022

Nach meiner 42-jährigen Dienstzeit als Polizeibeamter (davon 37 Jahre im Kriminaldienst) in Fürstenfeldbruck und München kann ich auf einen reichlichen, im Dienst erworbenen Erlebnisschatz zurückgreifen. Auch von meinem Dienst auf dem Oktoberfest ist mir Kurioses erinnerlich. Hier einige "Kostproben":

Eine Köpenickiade versuchte ein 35-Jähriger bei der Wiesenwache der Schutzpolizei. Er gab sich als Bundeswehrleutnant aus und erteilte militärische Kommandos. Diese wurden jedoch nur von einigen Betrunkenen, die sich zur Ausnüchterung im Wachraum aufhielten, beachtet. Offenbar war der "Befehlshaber" mit seiner Truppe sehr zufrieden, denn er bedankte sich bei ihr mit großen Worten. Danach wurde er "entmachtet", da sich schnell herausstellte, dass ein schlichter Tankwart als "Kommandeur" auftrat.

Übertölpen ließ sich auf einer Straße der Festwiese ein kanadischer Student von einem jungen Engländer. Dieser forderte den Studiosus auf, seine kostbare Lederjacke auszuziehen. Der Kanadier glaubte an einen Spaß und gehorchte. Gelassen nahm der Brite die Jacke an sich, versetzte dem Studenten einen Schlag ins Gesicht und tauchte mit der soeben "billig erworbenen" Ware mühelos in der Menschenmenge unter.

Dass man als Unternehmer auf der Wiesn schnell reich werden könne, hatte sich offenbar bis nach England herumgesprochen. Von dort reisten nämlich vier Touristen per Flugzeug nach München, um während der Oktoberfestzeit mit dem Verkauf von Luftballons das große Geschäft zu machen. Als Lockmittel zeigte das Quartett meterlange Ballons her, die farbenprächtig verziert waren. Verkauft wurden allerdings wesentlich kleinere, das Stück für zwei Euro. Die Gewerbefahnder durchkreuzten frühzeitig die Pläne der Angelsachsen, die noch 12.000 Ballons mitführten. 

Nicht so viel Erfolg hatte in einem Fall ein Taschendiebfahnder, sonst einer der Sieggewohnten. Er verfolgte einen "großen Fisch", ertappte diesen auf frischer Tat und wollte als Krönung die Festnahme durchführen. Doch der 25-jährige Dieb stieß den 59 Jahre alten Beamten um. Der hinzueilende zweite Beamte konnte das blitzschnelle Verschwinden des Täters nicht mehr verhindern. Bei dem Sturz brach sich der Fahnder ein Schlüsselbein, sodass die Oktoberfest-Dienstzeit für ihn vorzeitig beendet war. Der Ausfall ihres Kollegen spornte die übrigen Taschendiebfahnder zu einer erhöhten Aufmerksamkeit an. Die Beamten ließen ihre "ganze Wut" vor allem an einem profimäßig vorgehenden Team aus, das beim Taschendiebstahl ertappt und ausgerechnet vor dem "Glückshafen" des Roten Kreuzes festgenommen wurde. Insgesamt wies die "Abschussliste" der Taschendiebfahnder beachtliche 13 Festnahmen während der Wiesnzeit auf.

Mit einem "Hexenschuss" ließ sich auf einer Bahre ein Obdachloser zur Wiesnwache bringen, nachdem er zuvor erklärt hatte, er sei von einem Unbekannten verletzt worden. Als aufkam, dass der furchtbar Stöhnende nur ein warmes Nachtlager wollte, wurde der "Kranke" über die "zurzeit üblichen Behandlungsmethoden mit schmerzhaften Elektroschocks" aufgeklärt. Danach erholte sich der "Geplagte" zusehends. Er wurde sogar quicklebendig und äußerte, keinerlei Schmerzen mehr zu spüren. Die "psychologische Behandlung" des "Patienten" erwies sich als sehr wirksam, denn er konnte als "geheilt" entlassen werden.

Einen besonderen "Spaß" leistete sich – sowie den Umstehenden – in einer Schaubude ein Schaustellergehilfe. Er hielt eine 19-Jährige über einem Gebläseschacht fest und freute sich darüber, dass der Rock des Mädchens hochgewirbelt wurde. Ihr Freund hatte jedoch für einen derartigen Scherz kein Verständnis. Es kam zu einem Handgemenge, bei dem der Begleiter des Mädchens einen Nasenbeinbruch erlitt. 

 

Der Magnetwirkung des größten Volksfestes der Welt können sich vor allem Kinder nicht entziehen. Teilweise kommen sie von weit her "angereist", um sich ohne elterlichen Segen auf der Wiesn auszutoben. In vielen Fällen gelingt es, die Vermissten aufzugreifen. Für die betroffenen Eltern ist dann meist der "Behördenhof" auf dem Festgelände der Ort, an dem eine Familienzusammenführung stattfindet. Anders war es bei einem Kollegen aus Hamburg, der eigens von dort nach München reiste, um seine 12 Jahre alte Tochter auf dem Oktoberfestplatz zu suchen. Ihre Wege hatten sich jedoch gekreuzt. Denn kaum, dass der besorgte Vater in München angekommen war, stellte sich bei einem Telefonanruf heraus, dass die "Entlaufene" bereits wieder daheim war.

Originell war die Schutzbehauptung eines festgenommenen Bettlers, der sich mit folgenden Worten verteidigte: "Ich wollte nicht betteln, sondern erlitt plötzlich einen Herzanfall und sank zu Boden. Den vorbeigehenden Leuten streckte sich meine Hand entgegen, weil ich von ihnen aufgehoben werden wollte. Zu meinem Erstaunen legten die Wiesnbesucher Geld in meine Hand." Nach seiner Angabe hatte er bereits 17 Herzanfälle dieser Art. Der letzte brachte allerdings nur 1,56 Euro ein.

Ein abschreckendes Verfahren gegen einen Bierdieb wandte in einem Festzelt ein Gast an. Jedesmal, wenn er für kurze Zeit seinen Platz verließ, war nach der Rückkehr sein Bierkrug leer. Der Geschädigte bezeichnete seinen Tischnachbarn als Schmarotzer. Der wies jedoch jeden Verdacht von sich. Daraufhin ließ sich der Bestohlene etwas Besonderes einfallen: Er verstaute sein Gebiss im halbvoll gefüllten Maßkrug, entfernte sich vom Tisch und nahm eine Lauerstellung ein. Er brauchte nicht lange zu warten, denn prompt ergriff der Nachbar den Krug. Als er zu einem großen Zug ansetzte, war es geschehen: Schnaubend ließ der Bierdieb den Maßkrug fallen. Das Gebiss war ihm nämlich direkt ins Gesicht gerutscht. Vor lauter Schreck musste er sich übergeben. Sein Bierappetit war gestillt. Spontan schenkte der Bierklauer seinem Bezwinger einige Biergutscheine.

Auch nach dem Oktoberfest finden in vielen Gegenden Volksfeste statt. Was wohl dort ein Kriminalbeamter im Dienst erleben mag?


Copyright: Hans Kinzl
 

Der Autor

lesen Sie außerdem

Cookies